von Matthias Eubel, Heilpraktiker

Anatomie

Zentrum des Cranio-Sacralen-Systems ist der Liquor (Rückenmarksflüssigkeit). Er umfließt Gehirn und Rückenmark und bildet somit ein Polster zwischen Nervengewebe und umgebenden Schädel- und Wirbelsäulenknochen. Der Liquor schafft das Milieu für die Entwicklung und Ernährung des Zentralnervensystems vom Moment der embryonalen Entwicklung bis zum Tod. Umgeben wird der Liquor innerhalb der genannten Strukturen wiederum von den Gehirnhäuten (dünne bindegewebige Häute, Dura Mater, Pia Mater und Arachnoidea), die ein Auslaufen durch die angrenzenden Knochen verhindern. Der Liquor wird in den Ventrikeln (Gehirnkammern = 4 spezielle mit Liquor gefüllte Räume im Gehirn) gebildet und entlang des gesamten Systems von den Gehirnhäuten resorbiert, es ergibt sich eine abwärtsgerichtete Flüssigkeitsbewegung.

Diese Abwärtsbewegung wiederum unterliegt einer Pulsation, d.h. der Druck dieser Flüssigkeit nimmt in einem kontinuierlichen, regelmäßigen Rhythmus abwechselnd zu und dann wieder ab (Flexion und Extension). Die Schädelknochen befinden sich in einer ständigen, sehr feinen Bewegung, um sich den steten Veränderungen des Flüssigkeitdrucks anzupassen (Schädelatmung). Wenn die freie Beweglichkeit der Wirbelsäule oder der Schädelknochen durch Restriktionen (membranöse, schwer dehnfähige Fixierung) oder Blockaden eingeschränkt ist, so kann der Liquor nicht frei pulsieren. Es kommt zu Störungen im Cranio-Sacralen-System, eine umfassende Symptomatik kann sich entwickeln. Die Dura Mater (äußere Gehirnhaut) ist fest verbunden mit allen anderen Bindegewebshäuten (Fascien), welche im ganzen menschlichen Körper alle Gewebe, alle Muskeln, Gelenke, Knochen und Organe umgeben. Das Bindegewebe hat verbindende, stützende und ernährende Funktion. (Man kann sich dieses Bindegewebssystem wie einen schweizer Käse mit riesigen Löchern vorstellen, in denen die Organe, die Muskeln etc. eingebettet liegen). Dieses gegenüber seiner Umgebung bewegliche, jedoch nur geringfügig dehnfähige Gewebe setzt die Impulse des Cranio-Sacralen-Rhythmus über den ganzen Körper fort. Somit läßt sich der Cranio-Sacrale-Rhythmus nicht nur an der Wirbelsäule und am Schädel, sondern auch an Händen und Füßen und an jeder beliebigen Stelle des Körpers tasten.

Die Pulsation des Liquors

Die Ursache für die Pulsation der Rückenmarksflüssigkeit ist nicht eindeutig geklärt. Wahrscheinlich jedoch liegt dieser Pulsation ein Regulationsmechanismus zugrunde, wie er auch aus verschiedenen anderen menschlichen Systemen bekannt ist, z.B. dem Endokrinum (Hormonsystem). Der Liquor wird in den Plexus Chorioidei (spezielles Sekretionsgewebe) in den Ventrikeln gebildet. Sobald ein bestimmter Druck im Liquorraum erreicht ist, geben Druckrezeptoren ein Signal zur Beendigung der Liquorproduktion. Aufgrund der kontinuierlichen Resorption von Liquor sinkt der Druck langsam und gleichmäßig, ist ein minimaler Schwellenwert erreicht, geben Rezeptoren ein Signal zur erneuten Liquorproduktion.

Somato-Emotional-Release

Die Behandlung von Bindegewebsfascien nimmt in der Cranio-Sacralen-Therapie eine besondere Rolle ein. Dr. J. E. Upledger stieß bei seiner Arbeit durch Zufall auf das Phänomen des „Gewebegedächtnisses“. Traumen, z.B. durch Sturz, Schlag, Operationen oder sehr prägende seelische Streßmomente oder auch schon durch die Geburt, führen, wenn sie vom Körper nicht direkt verarbeitet und aufgelöst werden, zu Verhärtungen im umgebenden Bindegewebe. Der Körper speichert die Information und die Energie des auslösenden Ereignisses im Bindegewebe, er kapselt sie ein. Das Ausheilen des Traumas wird verhindert. Langfristig führen solche Bindegewebsverhärtungen zu Änderungen im Bewegungsapperat und in der Körperhaltung, aber auch zu Beeinträchtigungen innerer Organe. Solche Bereiche lassen sich mit viel Spürsinn ertasten. Sie werden „Energiezysten“ genannt. „Somato-Emotional-Release“ bezeichnet innerhalb der Cranio-Sacralen-Therapie verschiedene Techniken zur Lösung dieser Energiezysten. Die Erinnerungen an das auslösende Ereignis können aktiviert und geheilt werden.

Das Gewebegedächtnis

Die Erfahrung, daß der Körper psychische und physische Traumata speichert, ist auch Grundlage vieler anderer Therapien. In der Traditionellen Chinesischen Medizin beispielsweise spricht man von Xue- und Qi Stagnationen in traumatisch besetzten Körperteilen. Insbesondere körperorientierte Psychotherapien arbeiten über die körperlichen Manifestationen traumatischer Ereignisse.

Text: Matthias Eubel, www.m-eubel.de